Gestern lasen wir in den Medien, dass die Wirtschaftskammer eine kleine Novelle des Naturschutzgesetzes heftig kritisierte. Damit sollen Umweltorganisationen die Möglichkeit bekommen, in bestimmten Fällen einen Bescheid auch anzufechten, wenn sie nicht vorher schon am Verfahren beteiligt waren (Entwurf, Erläuterungen und Stellungnahmen).
Die WKV meinte dazu, dass sie „jede Ausweitung der Rechte von Umweltorganisationen sehr kritisch sehen und somit auch klar ablehnen“, ihr Präsident sah gar die Gefahr, dass Europa und Vorarlberg „zu einem ökologischen Riesen und zu einem ökonomischen Zwerg“ werden könnten.
Wir könnten die Herren ja etwas beruhigen … die Möglichkeiten zur Beteiligung für Umweltorganisationen gibt es bei uns nur dort, wo es europarechtlich zwingend vorgeschrieben ist. Im Naturschutz sind das ausschließlich Vorhaben, die ein Natura 2000 Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, also die höchste Kategorie von Naturschutzgebieten (mehr dazu).
In solchen Schutzgebieten werden üblicherweise keine Betriebe errichtet, also ist die „Gefahr“ von Einsprüchen minimal. Noch dazu gab es die Möglichkeit zum Mitreden bisher auch schon, bisher hätten sich die Organisationen eben rechtzeitig ins Verfahren einbringen müssen, oder in der Beschwerde begründen, warum das nicht möglich war. Durch die geplante Gesetzesänderung wird das etwas erleichtert, wir halten es aber auch für realistisch, dass sich in der Praxis kaum etwas ändern wird.
Die Sorge ist im übrigen nicht neu: Schon 1996, als das neue Naturschutzgesetz beschlossen wurde, stand in der Zeitung der Wirtschaftskammer, dass die Naturschützer eine Lobby seien, „die grundsätzlich versucht, alles zu verhindern und damit meistens auch durchkommt.“ Schon damals fand ich, dass unser Land wohl ganz anders aussehen würde, wenn das tatsächlich so wäre.
Auch die Praxis zeigt, dass Firmen, die etwas bauen wollen, in der Regel schon zu ihrer Genehmigung kommen: In unserer Datenbank sind mit heutigem Stand 35.682 Verwaltungsverfahren seit 1982 eingetragen. Von diesen sind es gerade einmal 12, in denen ein negativer Naturschutzbescheid für eine Betriebsanlage erlassen wurde, davon wiederum sind es genau 0, in denen ein Einspruch von Umweltorganisationen eine Rolle gespielt hat. (Auch nach der neuen Rechtslage wäre das gar nicht möglich, weil keines dieser Vorhaben in einem Natura 2000-Gebiet geplant war).
Grund zur Panik besteht also noch nicht.
Ginge es nach der Wirtschaftskammer, würden sie den Naturschutz abschaffen und ganz Vorarlberg in eine Industriegroßstadt verwandeln. Ich frage mich ernsthaft, wann die Funktionäre der WKV endlich begreifen, dass man Geld nicht essen kann und die Menschen in Vorarlberg keine Roboter sind. Vernünftige Wirtschaftstreibende, die verzweifelt innovative Fachkräfte suchen, haben schon längst erkannt, dass eine halbwegs intakte Natur auch ein wichtiges Argument für Bewerber*innen ist.